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FREUDE TEILEN MIT PRA
von Kamal Phuyal (Nepal)
herausgegeben von Phil Bartle, PhD
übersetzt von Stella Stocker
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Die
Teilnehmer einer Fortbildung konzentrieren sich nicht auf den Inhalt der Fortbildung, sondern
sie beobachten das Verhalten des Fortbildungsleiters. Sie schauen, ob das Gesagte dem Verhalten
im Klassenzimmer entspricht, oder nicht. Die Teilnehmer werden das Gelernte in die Praxis umsetzen,
wenn sie von dem Handeln des Schulungsleiters überzeugt sind. (Mr.
Uttam Dhakhwa, Forum für Spiritualität und Entwicklung).
Warum
mit PRA arbeiten?
Der
erste Teil befasst sich mit der Frage wer mt PRA arbeiten sollte. Welche Eigenschaften sollte jemand
besitzen der mit PRA arbeitet. Die zweite Frage bezieht sich darauf, warum man nicht andere Hilfsprogramme
anwenden soll. Was sind die Nutzen von PRA? Der dritte Teil zeigt ebenfalls wie man die Hilfsmittel
wirksamer einsetzen kann. Wie wendet man dies an?
Inwieweit
sich die Bevölkerung vor Ort beteiligt, hängt ganz eng mit dem Verhalten des PRA Schulungsleiters
zusammen.
Enwicklung
heisst Freude zu teilen
Einmal
hat ein Kollege zu mir gesagt: "Weisst du was Entwicklung bedeuted? Nach meiner Erfahrung bedeuted
es hauptsächlich, Freude mit anderen zu teilen". Er erklärte das anhand einiger Beispiele, die
ererlebt hatte und mir gefiel seine Auffassung von Entwicklung.
Ich
hatte die Möglichkeit viele Entwicklungshilfeprojekte zu besuchen. Manche hatten millionen
von Rupien zur Verfügung, andere nur ein paar tausend Rupien. Einmal war ich in einem nahegelegenen
Dorf von Pokhara, ungefähr 200 km ausserhalb von Kathmandu. Wir waren dabei eine mitwirkende Auswertung
eines Trinkwasserprojektes durchzuführen. Wir hatten eine gute Zeit, konnten viel mit den Dorfbewohnern
teilen, denn sie waren sehr glücklich darüber, dass wir in ihrem Dorf waren. Finanziell gesehen
war es ein kleines Projekt. Das Landratsamt des Wassereinzugsgebietes der Regierung und eine
japanische Organisation führten das Projekt gemeinsam durch. Insgesamt haben sie für das Projekt
35,000 Rupien ausgegeben. Während wir uns mit den Frauen unterhielten erklärten sie uns folgendes:
Eine
didi (Schwester) kam in unser Dorf um zu arbeiten. Lange Zeit ignorierten wir sie. Wissen Sie, die
Dorfbewohner sagten ihr, daß sie wieder gehen sollte (sie hatten schlechte Erfahrungen mit Entwicklungshelfern
gemacht). Auf der anderen Seite hat sie nächtelang über unseren Problemen gegrübelt. Sie war so
nett. Iergendwann mochten wir sie und arbeiteten zusammen und haben viel erreicht. Jetzt haben
wir unsere eigenen Kooperativen. Wir haben an Alphabetisierungskursen teilgenommen und hatten
eine gute Zeit mit ihr. Wir waren glücklich über die Zusammenarbeit und hatten viel Spass. Wir haben
unsere Arbeit gerne gemacht, wissen Sie. Wir freuen uns immer noch, wenn wir an diese Tage zurückdenken.
Wir lieben unser Projekt sehr und haben es nie sterben lassen.
Die
Dorfbewohner konnten meist nicht einmal den Namen der Organisationen korrekt aussprechen; das
Einzige was sie immer wiederholten war, daß sie sehr glücklich waren mit der bikase didi (Entwicklungshelferin
- Schwester). Leider konnten wir diese didi nicht treffen. Was wir aber herausfanden war, daß es
ihr grosse Freude bereitet hatte mit den Frauen vor Ort zu arbeiten. Es wurde uns gesagt, daß es ihr
Motto war Freude mit anderen zu teilen. Die Dorfbewohner und didi haben ihre Freude geteilt. Durch
das Trinkwasserprojekt konnten sie dies tun. Und diese Freude hat das Prokjekt zu einem Erfolg
werden lassen. Den Dorfbewohnern ist es egal wieviel Geld das Projekt kostet, oder wieviel ausgegeben
wurde. Ihre Freude ermutigte sie dazu noch viele weitere Dinge in Angriff zu nehmen. Jetzt haben
sie ihre eigene Kooperative. Sie haben ein Instandhaltungskommittee unter den Frauen gegründet.
"Wir freuen uns in einer Gruppe zu sein, in der wir unsere Probleme besprechen können und in der Tat
unsere Freude teilen können."
Eine
der grössten mulilateralen Organisationen gab 1.5 millionen Rupien für ein Trinkwasserprojekt
im Nuwakot Gebiet im Norden von Kathmandu aus. Und doch bekommt ein Dorfentwicklungskommittee
(VDC), welches für 800 Familien verantwortlich ist (einige Dörfer) nur 500,000 Rupien jährlich
von der Regierung. Wieder gab es grosse Konflikte zwischen den Projektleitern und den Dorfbewohnern.
Die Dorfbwohner waren unglücklich über das Projekt, obwohl das Problem, Wasser über grosse Distanzen
heranzuschaffen gelöst war. In ihrer Bewertung des Projektes sagten die Dorfbewohner folgendes:
Der
Bau des Projekts ist beinahe abgeschlossen, aber wir kennen die Projektleute nicht einmal. Sie
verändern ständig die Besetzung der Mitarbeiter. Wir sehen nie jemanden zweimal im Dorf. Wir haben
nicht das Gefühl, daß das unser Projekt ist. Wir haben gehört, daß sie eine Arbeitsgruppe gebildet
haben. Wir wissen nicht wer sie sind. Sie müssen zu der politischen Führung gehören. Die Mitarbeiter
haben weder ein Büro hier, noch wohnen sie hier. Meistens fahren sie mit ihrem Gefährt zurück nach
Kathmandu oder Trishuli (die Bezirksverwaltung), nachdem sie die Baustelle besichtigt haben.
Einer der Bauunternehmer des Nachbardorfes hat die Verantwortung für die Bauarbeiten übernommen.
Wir sind einmal dorthin gegangen um mit den Mitarbeitern zu sprechen, die darüber nicht glücklich
zu sein schienen.
Die
Dorfbewohner haben ihr Wasser viele Jahre lang von einer nahgelegenen Quelle geholt. Sie werden
das auch weiterhin so handhaben. Die Dorfbewohner wurden nicht nach ihren Wünschen oder Gedanken
gefragt. Es wurde von Außenstehenden, die nicht wissen was es heisst Probleme mit der Wasserversorgung
zu haben, geplant und realisiert. Hier haben wir festegestellt, daß das Projekt nicht zum Teilen
von Freude dient. Die Distanz zwischen den Dorfbewohnern und Projektmitarbeitern bestand von
Anfang an und hat sich im Laufe des Projekts nur vergrößert. Es schien, als ob die Mitarbeiter das
Projekt einfach als einen Teil ihres Jobs sahen. Sie denken, daß sie sich den Dorfbewohnern gegenüber
als liebenswürdig erwiesen, weil sie ein Projekt mitgebracht hatten. Sie sind nicht bereit sich
die Zeit zu nehmen um mit den Dorfbewohnern zu sprechen. Wenn sie aber nicht mit den Menschen sprechen,
wie können sie dann Freude teilen?
Die
Geschichte zeigt uns viele Beispiele von partizipativer Zusammenarbeit, die von den Menschen
selber durchgefürht wurde. Wie wir festellen konnten haben die Menschen Tempel und Strassen gebaut,
Brunnen gegraben und Tümpel angelegt, Schulen gebaut und so weiter. Sie haben diese Sachen alle
mit der Einstellung gemacht, einer Festlichkeit beizuwohnen. Wenn Sie weiter analysieren werden
Sie festellen, das all diese Dinge dazu da waren, Freude zu teilen. Sie haben Lieder gesungen, die
Sozialarbeit gemeinsam erledigt, auf Festlichkeiten das Essen geteilt, zusammen gelacht und
die getane Arbeit gefeiert. Es scheint als ob sie die Freude teilen indem sie etwas geben, oder nehmen
und mit anderen teilen.
Einmal
hat eine grosse Organisation einer meiner Kolleginnen einen tollen Job angeboten. Sie hat lange
darüber nachgedacht, es mit anderen besprochen und schließlich das Angebot abegelehnt. Sie sagte
folgendes:
Ich
weiß nicht, ob ich an der neuen Arbeitsstelle so eine glückliche Umgebung anfinden würde oder eben
nicht. Ich arbeite gerne mit meinen Kollegen hier, mit denen ich meine Freude teilen kann. Mir macht
meine Arbeit hier Spaß. Natürlich haben sie mir das doppelte Gehalt und weitere Vorzüge angeboten,
doch ich habe Angst meine Freude zu verlieren.
Mit
PRA Freude teilen
Bis
jetzt fanden wir kein PRA Training langweilig. Kürzlich habe ich 60 PRA Trainingsberichte ausgewertet.
Ich bezog mich auf den bewertenden Teil, der von den Teilnehmern am Ende des Trainings durchgeführt
wird. In keinem einzigen der Berichte stand, dass das PRA Training langweilig gewesen sei. Was
man findet sind Äußerungen wie: "10 Tage die mir vorkamen wie 10 Stunden", der Lernprozeß war wie
ein Spiel, wir haben uns nicht gelangweilt, wir haben viel gelacht, wir haben viel geteilt, etc.
All das können sie natürlich auch anders lernen. Einer der Grundwerte von PRA ist nach meiner Erfahrung
jedoch, daß es eine Umgebung von Freude schafft. Die Teilnehmer empfinden keine Hierarchie; Sie
empfinden hier keine Ungleichheiten (sozio-wirtschafltiche, Klasse, Geschlecht). Sie alle
lachen, lernen und teilen. Freude zu teilen entwickelt eine gefühlte Bindung zwischen den Teilenden
und das ist es was PRA letztendlich bewirkt. Entweder während des Trainings oder in der Gemeinschaft.
Wissen
Sie, während dem "Social Mapping" bewegen die Dorfbewohner Steine und Stöcke hin und her und bauen
Häuser. Die ersten 15 Minuten wissen sie, daß sie einen Plan ihres Dorfes, oder einen Phantasieplan
kreieren. Dann vergessen sie, daß sie mit Steinen und anderen Materialien spielen. Das Spiel geht
in Realität über. Sie rufen, sie lachen und sprechen ganz offen und manchmal werden sie auch wütend.
Ich habe folgendes festgestellt: Nach 15 Minuten begeben sie sich in eine Diskussion und in die
Analyse und der Moment des Freudeteilens beginnt. Wenn der künstliche Moment endet und das Teieln
der Freude beginnt, fangen die Dorfbewohner, die sich bisher herausgehalten haben, an der Übung
zu beteiligen. Sogar die Analphabeten und die Randgruppen die eigentlich nur zörgerlich öffentlich
sprechen würden, fangen an sich zu beteiligen. Dieser Prozess ist einfacher wenn man Freude teilt. Einer
der PRA Schulungsleiter erzählte einmal:
PRA
wird langweilig und sehr technisch, wenn man keine 'Freude teilt'. Manchmal wird es sogar gefährlich.
Einmal hat ein Vorsitzender eines VDC von dem Dhading Bezirk, ein Nachbarbezirk von Kathmandu,
seine Erfahrungen mit einer PRA Gang so beschrieben:
Ein
Team von PRA Fachleuten kam mit vier oder fünf Mann, die ihnen die Unterbringung und Essenssachen
trugen. Sie kamen in das Dorf und ein paar von ihnen fingen Hühner, andere schnitten Zweige für das
abendliche Lagerfeuer ab. Eine Gruppe von Jugendlichen gingen zu der Wasserversorung und neckten
die jungen Dorfmädchen. An dem Abend gab es ein grosses Fest. Sie spielten englische Musik und fingen
an zu tanzen. Sie schrien und die Musik stoppte erst, als zwei Betrunkene anfingen miteinander
zu streiten. Am nächsten Morgen konnten sie nur sieben oder acht Leute zusammenbekommen, inklusive
drei Leute aus dem Haus indem sie untergebracht waren und begannen mit der PRA.
Dies
Art der "unbeteiligten PRA" teilt keine Freude sondern stiehlt Freude von anderen. Mehr noch solche
PRA Übungen, welche von persönlichen Interessen getrieben sind, ruinieren den Wert von PRA.
Was
auch immer wir mit PRA erreichen, kann auch anders erreicht werden. Andere Techniken können ebenso
die Teilnahme der Gemeinschaft fördern. Wir können die Analphabeten und Randgruppen zur Teilnahme
an dem Entwicklungsprozess auffordern, indem wir andere Techniken benutzen. Der hauptsächliche
Wert oder Beitrag von PRA ist, daß er das Potenzial hat eine Umgebung zu schaffen, in der man Freude
teilen kann.
Einmal
wurde eine Liste mit einer Vermögensreihenfolge in einem Dorf des Sindhupalchowk Bezirks, welcher
im nordöstlichen Teil Kathmandus liegt, erstellt. Eine Gruppe von Dorfbewohnern erstellte diese.
Sie plazierten einen alten Mann auf einen unteren (ärmeren) Rang. Er war auch ein Teil dieser Gruppe.
Er war mit der Platzierung nicht einverstanden. Sie diskutierten sehr lange. Einige wollten beweisen
dass er arm sei und kamen mit vielen Argumenten daher. Eigentlich wollten sie ihm ja helfen, da das
Projekt Programme für die Armen bereitstellen würde. Der alte Mann hatte nichts. Er konnte kaum
zwei Mahlzeiten am Tag zusammenbekommen. Er sagte: Ich habe nicht genug zu essen, aber ich bin glücklich.
Ich bin die glücklichste Person in diesem Dorf, versteht ihr? Habt ihr mich je traurig oder depressiv
gesehen? Wie könnt ihr mich arm nennen?" In der Tat war er einer der ersten der an Sozialarbeit teilnahm,
oder sie sogar leitete. Schliesslich stuften die anderen ihn auf einem mittleren Rang ein.
Nach
dieser Übung unterhielten wir uns lange mit dem Mann. Wir sahen, daß er eine Quelle der Freude besaß.
All die anderen Dorfbewohner fühlen seine Abwesenheit, wenn er für ein paar Tage unterwegs ist.
Das PRA Team verstand, daß die Erfüllung der Grundbedürfnisse ein Grundrecht ist und Hunger, eine
Hürde, auf dem Weg sich glücklich zu fühlen. Wirtschafliches Wohlbefinden kann jedoch nicht mit
emotionalem und spirituellem Wohlbefinden gleichgesetzt werden.
Letzten
Monat hatten wir eine Diskussion über Entwicklung und Spiritualtität. Jemand fragte: "Was ist
mit der Stärkung der Randgruppen?" Mit wem sollen sie ihre Freude teilen? Die Diskussion hatte
folgenden Ausgang:
"Natürlich
wollen wir Gerechtigkeit und keine Ungleichheit, wir wollen keine Ausbeutung und wir wollen die
Stärkung der Schwachen. Deswegen wollen wir das sich die Randgruppen an dem Entwicklungsprozeß
beteiligen. Wir wollen ihnen zuhören. Wir wollen ihre Ideen hören. Wir wollen in diesem Prozess
der Stärkung, ihre Freunde sein. Wir wollen das nicht, weil es unser Job ist, sondern weil uns das
glücklicher machen wird. Wir wollen, daß sie sich "erheben" und daß die Ungleichheiten weniger
werden. Wir sollten ihnen das Gefühl geben, daß wir glücklich sind in disem Stärkungsprozeß ihre
Freunde zu sein. So teilen wir Freude mit ihnen. Wenn sie erstmal unseren Wunsch verstanden haben,
werden sie auch anfangen ihre Freude mit uns zu teilen. Ja, natürlich kann PRA sehr dazu beitragen
Freude mit den Randgruppen zu teilen. PRA entfernt alle Formalitäten zwischen uns und unterstützt
den Gedankenprozeß.
Einer
der VDC Vorsitzenden erzählte uns von diesem Beispiel, indem er PRA in der Planungsphase einsetzte.
'Vor
PRA haben wir die Bedürfnisse eines jeden Stationsmitglied erfragt. Unser Tisch hat zuvor sehr
gelitten, da jedes Stationsmitglied seine Forderungen für am wichtigsten erachtete und mit der
Faust auf den Tisch schlug. Die neue paarweise Klassifizerung hat unseren armen Tisch gerettet.
Wir legen die Prioritäten mit Freude fest.'
Durch
diesen Prozeß habe ich gelernt, daß PRA uns hilft unsere Freude mit den Dorfbewohnern zu teilen
und diese auch ihre Freude mit uns teilen und vor allem mit denen, die verwundbar sind und Randgruppen
angehören. Ich bin davon überzeugt, wenn man über die positiven Aspekte nachdenkt, sie die Entwicklung
fördern. Nur über die negativen Apsekte nachzudenken limitiert uns. Wir können uns nicht vorwärts
bewegen, wenn wir uns nur auf das Negative konzentrieren.
Kamal Phuyal Nepal
Dieser
Artikel wurde dem IDS Workshop, "Verschiedene Wege zur Teilnahme" unterbreitet.
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––»«––Letztes aktualisierung: 17.07.2011
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